Feldpostbrief Kuno Rinker 13
Ostern, 05.04.42
Lieber Vater!
Tiefblauer Himmel und strahlende Sonne erfreut uns heute. Der Einsatz hier ist so gut wie beendet. Der Gegner zieht sich zurück, wahrscheinlich Richtung Waldai-Höhen und Seliger See, wo er vor längerer Zeit durchgebrochen war. Unwillkürlich lockt es uns hinaus ins Freie, hinaus aus dieser muffigen Russenbude in den klaren Frühlingstag. Die Luft ist wirklich täglich erfüllt vom Gebrumm unserer Flugzeuge, deren Tage jetzt wieder gekommen sind. Ich möchte heute auf Deinen fragenreichen Brief vom 17.02 näher eingehen.
Also, wir sind Heerestruppe. Als solche sind wir keiner bestimmten Division zugeteilt, sondern werden heute bei dieser, und morgen bei einer anderen eingesetzt. Dann wieder einem A.K. zugeteilt. Am 17.11.41 begann mein eigentlicher Einsatz von Rusa aus. Wir waren der SS-Division „Reich“ zugeteilt und der 10. Panzerdivision. Nach Rusa gelangten wir über Wjasma-Borodino und Moschaisk. In Rusa zweigten wir dann von der Rollbahn ab auf eine kleine Vormarschstrasse. Dorf um Dorf wurde gewonnen.
Am 28.11. sind wir 6 Stunden nach Einnahme in die Stadt Istra 45 km nordwest Moskaus einmarschiert und wurden gleich mit einem unerhörten russischen Fliegerangriff empfangen, der sich auf mehrere Stunden ausdehnte. Dort stoppte der Angriff für zwei Tage.
Am 30.11. geht es weiter über die Rollbahn und eine Bahnlinie in ein total zerschossenes Dorf. Schon hatten wir 24°C bis 26°C Kälte. Nachts als herrliches Schauspiel das Flakfeuer von Moskau. Hin und her ging der Kampf. Einmal Angriff, dann wieder Verteidigung. Es wunderte uns nicht, denn wir waren ja schon ins Moskauer Verteidigungssystem eingedrungen. So entbrannte nun ein siebentägiger hin und her wogender Kampf, 20 km vor den Toren Moskaus.
Die Namen all der Orte zu nennen ist ja zwecklos, da sie auf keiner der üblichen vorhandenen Karten aufzufinden sind. Ich habe sie mir notiert. Das überraschend schnelle Einbrechen des Winters und die stark gelichteten Reihen der SS und PD ließ kein weiteres Vorwärtskommen mehr zu. Die Russen standen uns mit starken Truppenmassen gegenüber. Zur Verteidigung den Winter über war die Gegend ganz und gar nicht geeignet.
So ging es am 08.12. wieder zurück nach Istra; und als auch hier keine standhafte Winterstellung ausgebaut werden konnte, begann am 15. Dez. die Rücknahme der gesamten Front auf die jetzige Hauptkampflinie (HKL). Was wir dabei durchmachten kann ich gar nicht schreiben. Jedenfalls hatten wir damals die Ansicht, dass wir zu spät daran gedacht hatten, für den einbrechenden Winter die nötigen Verteidigungsmaßnahmen zu ergreifen (Absetzung von Brauchitsch) In dieser HKL klafften nun anfangs noch Lücken und dünne Stellen. Am 05. Febr. erst war sie vollkommen dicht.
So kam es, dass größere feindliche Kampfgruppen durchbrachen und rückwärtige Gebiete sehr gefährdeten. Wir selbst erfuhren es ja selbst in den Februartagen. Das ist nun ganz grob der erste große Abschnitt, den ich in diesem Feldzuge erlebte. Vielleicht kannst Du Dir nun darüber ein kleines Bild machen. Später werde ich Dir ja noch mehr davon erzählen.
Als zweites großes Erlebnis war unser Infanterie-Einsatz im Februar. Über diese Tage habe ich Dir einen Ausschnitt aus unserm Batterietagebuch beigelegt. Ich denke, dass ich Dich damit vorerst befriedigt habe. Möchtest Du jedoch noch nähere Einzelheiten darüber erfahren, so bitte ich Dich in einem Brief mich darüber zu befragen. Weißt, vieles darf ich halt auch nicht schreiben, da man nicht weiß, ob die Briefe kontrolliert werden. Wir sind hier 11 Mann unserer Batterie und werden von der Ari verpflegt, mit der wir eingesetzt sind. Die Verpflegung war noch nie so gut und reichlich. Heute dicke Nudelsuppe mit Fleisch und Klößen, ganz ausgezeichnet. Eine Tafel Schokolade, 4 l Schnaps, Zigaretten. Man merkt, dass Ostern ist. Leider mussten wir auf Post hier lange warten, da unsere Abteilung zur Zeit weit auseinander gezogen ist. Andererseits werden meine Briefe bälder als sonst bei Euch sein, weil wir in der Nähe der Bahn sind und sie direkt dem Zuge mitgeben können.
Die Tage unseres Infanterie- Einsatzes!
28.01.42: auf die Suche nach Partisanen ausgeschickter Spähtrupp findet 5 Fallschirme.
29.01.42: ein Angehöriger der Stabsbatterie fällt durch MPi einer sechsköpfigen Partisanengruppe. Infolge des heftigen Schneesturmes muss das Vorkommando zum Erkunden der Meßstellen umkehren. Es ist fast unmöglich, den Weg zur Poststraße freizuhalten. Starke russische Fliegertätigkeit besonders bei Nacht.
30.01.42: nichts besonders Neues. Abhören der Führerrede
31.01.42: Immer noch starke russische Fliegertätigkeit. Die Wache unserer 2. Batterie beobachtet, wie drei Bolschewiken mit Fallschirmen absprangen. Es gelang, zwei davon unschädlich zu machen. Zwei Spähtrupps von uns durchsuchen ohne Erfolg die Umgebung.
01.02.42: der Schneesturm nimmt bedenkliche Formen an. Die Poststraße nach Wjasma ist für Schlittengespann schwer und für LKWs überhaupt nicht mehr befahrbar. In der Frühe steigt ein Probealarm. Als Verbesserung der Alarmvorrichtung erhält jede Unterkunft Fernsprechanschluss, darüber hinaus werden besondere Leitungen von der Wache zur Schreibstube, Unterkunft Chef, Abteilungsgefechtsstand, Ortssicherung und der Poststraße gelegt, um in einem gegebenen Falle sofort über die nötigen Nachrichtenverbindungen verfügen zu können. Die Bolschewiken warfen Flugblätter ab, eines in Briefform enthielt eine Rede des „Genossen“ Molotow.
02.02.42: 11.45 Alarm! Die B19 wurde in ihrer Unterkunft von stärkeren roten Kräften angegriffen. Zur Unterstützung marschiert auch ein Zug unserer Batterie (auch ich) unter Führung von Leutnant Geiger nach Mischino. Es gelingt, einen Angriff auf den Nordausgang des Dorfes abzuwehren.
03.02.42: Nach ruhig verlaufener Nacht erfolgt in der Frühe ein neuer Angriff auf das Südende des Dorfes. Im Schutze von Rauch und Qualm eines durch Granatwerfer in Brand geschossenen Hauses gelingt es den Russen, ins Dorf einzudringen. Gefreiter Schweizer wird dabei durch Bauchschuss schwer verwundet. Gegen Abend wird auf Befehl der Ort geräumt. Beim Überqueren der Talmulde nach Michalewo fällt Kanonier Aha durch Rückenschuss eines flankierenden MGs. In M. treffen wir auf weitere Verstärkung von unserer Batterie. Im Schutze der Dunkelheit greift nun der Gegner auch dieses Dorf an. Aus einer Mulde vor dem Ortsausgang stürmen die Russen an. Es entsteht ein Kampf um jedes Haus. Die Verluste gerade unserer Batterie sind dabei schwer. Es starben den Heldentod: Gefreiter Schweikert (aus Heidenheim), Gefreiter Jäckle, Gefreiter Sachs, Obergefreiter Kohl. Verwundet wurden: unser Batteriechef Oberleutnant Kammerer, Leutnant Karrey, Unteroffizier Glock, Unteroffizier Bergmann, Gefreiter Dietz, Gefreiter Huber, Kan. Kropf. Kurz vor Mitternacht gelingt es, zwei Pakgeschütze mit Zugmaschinen durch den tiefen Schnee herbeizubringen. Mit Pz-Muni beschossen gehen die ersten Häuser in Flammen auf und beleuchten den Ort. Der Angriff kommt zum Stehen.
04.02.42: bei Tagesgrauen wird der Ortsausgang wieder von uns besetzt, nachdem einige Stunden vorher die Russen abgerückt waren. Inzwischen hat Flak und PAK das Feuer auf Mischino und Moleschino eröffnet. Auch diese beiden Ortschaften wurden wieder besetzt. Gegen Abend werden wir von einem Kommando der 2. B. abgelöst. Unser Kommando marschiert ab und verweilt in der Nacht als Sicherung des Abtlg.-Gefechtsstandes in Sew Lenkino.
06.-09.02.42: von Haus zu Haus werden Laufgräben frei geschaufelt und Schießscharten in den fest gefrorenen Schnee geschaufelt. Aus fast allen Himmelsrichtungen ist vereinzelndes Gewehr-, MG-, MP-,-Ari-und Flakfeuer zu hören. In den letzten Tagen und Wochen ist während der Nacht auffallend starke russische Fliegertätigkeit. In unserem Dorf (Pessotschnja) brechen wir sämtliche Scheunen jenseits der Dorfstraße ab, um Schussfeld nach W. und SW gegen den Wald zu bekommen. Diaglebo, ein Ort an der Poststraße wird von den Russen gewonnen. Wir erhalten von der FLA 24 ein Geschütz zur Verstärkung, das bei der Bekleidungskammer in Stellung geht.
10.02.42: um 6.15 melden die Posten russische Stimmen aus dem gegenüberliegenden Walde. Die Feldfernsprecher alarmieren in allen Häusern. Die Russen eröffnen das Feuer mit Gewehren, MGs, MPis, Pb und L.Granatwerfer. Drei Häuser geraten in Brand. Nach einigen Feuerstößen fällt unser MG in der Bekl.kammer mit einem Hülsenreißer und das 2 cm FL-Geschütz durch Ladehemmung aus. Aus den ausgeschaufelten Schneestellungen empfangen wir die anstürmenden Roten mit Gewehrfeuer. Um etwa 11.30 eröffnet eine Batterie zunächst mit einem und dann mit zwei Geschützen das Feuer auf den Waldrand. An keiner Stelle gelang es den Russen wenigstens den Talgrund zu erreichen. Ein 5 cm-PAK-Geschütz mit einem L. MG-Trupp, Teile der B 19 und eines SR 13 kommen als Verstärkung für die Nacht. Bei diesen Kämpfen starben den Heldentod: Gefreiter Rudi Schmidt, Gefreiter Funk, Sanitätsunteroffizier Both, Gefreiter Stiefenhofer und je ein Gefreiter von der B 19 und FLU 24. Verwundet wurden: Wachtmeister Raub, Unteroffizier Kelber, Unteroffizier Rutenbäumer, Unteroffizier Schmitt, Obergefreiter Potze, Gefreiter Kresser, Gefreiter Baum. Gegen Abend wird das letzte Haus am S-Ausgang des Dorfes als Vorfeldbeleuchtung in Brand gesteckt. Mit „Germansky, Germansky ruki wyrch. Hurräh“ versuchen die Bolschewisten einen neuen Angriff, der aber durch das inzwischen wieder instandgesetzte FL-Geschütz im Keime erstickt wurde. Sodann eine ganz unheimliche Stille. Verwundete Russen stöhnen und schreien im Wald. Die Nacht verläuft ruhig.
14.02.42: ein Spähtrupp hat festgestellt, dass der Wald immer noch feindbesetzt ist.
15.02.42: heute wurde nichts mehr vom Feinde bemerkt. Die Verluste der Russen allein beim Angriff auf Pessotschnja betrugen 70-80 Tote und zum mindesten das Dreifache an Verwundeten. Erbeutet wurden von uns 1 leichter. Granatwerfer, 2 Panzerbüchsen, 6 leichte MGs, zahlreiche automatische Gewehre, MPis und auch deutsche Handfeuerwaffen und rund 6000 Schuss Russenmunition. Dies ist ein Ausschnitt aus unserem Batterietagebuch über diese Tage. Die besonderen Erlebnisse, die ich dabei hatte, werde ich Euch später einmal erzählen. Nur eins noch, über die ganzen Tage herrschte eine Temperatur von -30°C - -40°C. Die folgenden Tage des Monats Februar mussten wir aber auf der Hut sein, um nicht von immer wieder durchbrechenden Kräften aufs Neue überfallen zu werden. Die ganze Batterie wurde zur Wache eingeteilt, d.h.: jedes Haus hatte seinen bestimmten Bezirk. Tagsüber und gegen Abend erfolgten Spähtruppenunternehmungen, bei denen ich fast immer dabei war. Denn zu Beginn der ganzen Schweinerei hatte ich mich zu einem zwanzigköpfigen Spähtrupp gemeldet, der aus lauter Freiwilligen bestand. Dieser wurde dann meistens eingesetzt. Wenn ich damals gewusst hätte, was noch alles kommt, hätte ich es vielleicht nicht getan, denn als Nicht-Infanteristen waren es oft ganz leichtsinnige Unternehmen.
Unser Batteriechef war vor ein paar Tagen beim Kommandeur Befehle zu empfangen. Wir sollen nun zurückkommen als OKH-Reserve in den Raum zwischen Minsk und Gomel. Dort soll dann u. a. auch die Urlaubsfrage geregelt werden. Vielleicht reicht es. Morgen kommt unser Chef wieder zurück. Ich mag sehen, was er Neues bringt und wann wir zurückfahren. Sonst weiß ich momentan nichts Neues. Tagsüber taut es nun schon ganz schön.
In der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen im Urlaub grüßt dich recht herzlich
Dein Kuno
Grüße auch Mutter, Gisela und Gudrun
Feldpostbrief Kuno Rinker 14
im Osten, 20.04.42
Meine Lieben!
Nach langer Pause kann ich Euch heute endlich wieder schreiben. Unser Einsatz ist nun zu Ende und wir sind wieder zur Batterie zurückgekehrt. Inzwischen haben wir zweimal Post bekommen. Viel war dabei für mich. Es lohnt sich nicht, alle Daten der Briefe und Päckchen aufzuführen. Es waren 15 Briefe und 28 Päckchen. Das neueste Datum ist vom 09.04. Das Kissen und die Marschriemen benutze ich schon. Sie sind prima. Dass die Tinte auch angekommen ist, seht Ihr ja. Dann erhielt ich: Rauchfleisch, Honig mit Zwieback, Waschlappen und die 3 Päckchen von Gisela mit den „Marzipanböbbelich“. Die waren ganz hervorragend. Ihr könnt mir in beliebig großen Mengen davon schicken. Also Ihr habt mir wiederum eine unbeschreiblich große Freude bereitet.
Seit einigen Tagen hat das Tauwetter eingesetzt. So was habe ich noch nie erlebt. Man sieht den Schnee beinahe schmelzen. Die Sonne scheint schon sehr heiß. Straßen und Wege sind mit meistens 10-20 cm tiefem Schlamm bedeckt. An vielen Stellen gleichen sie einem Flussbeet.
Als wir von unserem Einsatzort zur Rollbahn fuhren, erlebten wir folgendes. Erst ging es auf einem Nebenweg zur sogenannten Poststraße. Von 6.00 Uhr früh bis 10.00 legten wir die 2 km zurück. Tiefe eingefahrene Rinnen, in denen das Wasser schoss und sich immer wieder zu einem knietiefen See ansammelte, je nachdem es die Straße gab. Dann tiefer, klebriger Moorboden, grundlos. Dann die Poststraße: ein besserer Untergrund, holprig und mit einer flüssigen, breiigen sieben cm tiefen Oberschicht. Oft mussten wir schieben. Die Folge war: über und über mit Dreck überzogen und verspritzt. Zu allem noch die eisige Kälte des Schneewassers und die strahlende heiße Sonne. Ein Glück, dass meine Stiefel einigermaßen gut dicht halten. Oft stand ich bis knapp an den oberen Schaftrand im Wasser oder Schlamm.
Dann kam die Einfahrt zur Rollbahn. Dann die Fahrt auf ihr. Hier staubte es ganz beträchtlich. Ja, so ist Russland. Plötzlich wurde es warm und heute liegen nur noch vereinzelnde Schneeflächen da.
Ein schönes Erlebnis hatten wir an Ostern. Zum ersten Male durften die wieder Ostern feiern. Die Bevölkerung war überglücklich. In groben Zügen verlief das zwei Tage dauernde Fest in unserem damaligen Quartierort folgendermaßen. Ein Pfarrer kam. Er zog nun von Haus zu Haus, gefolgt von Frauen und Kindern, die mit einem Leiergesang, in dem sie sich gegenseitig im Singen überbieten wollten, hinter ihm herzogen. In jedem Hause stand auf dem weißen Tischtuche, das jedes Haus benützte, auf einem Tisch ein kleiner Laib Brot mit etwas Salz darauf. Daneben stand eine Schüssel mit Wasser. Der Pfarrer weiht nun diese Sachen. Zuletzt taucht er ein Strohbüschel, das ebenfalls schön zurechtgemacht daliegt, in die Wasserschüssel und bespritzt die Hausbewohner damit. Die ganze Handlung begleitet er mit einer halb sprechenden halb singenden Leierpredigt. Für uns war es eine sehenswürdige Neuigkeit und für die Russen ein großes Fest.
Andererseits ist es aber für uns ein ungeheurer Gewinn, denn unter Stalins Herrschaft war dies verboten. Den Beweis lieferte uns damals unsere Russin. Sie sagte: „Oh, Germanski dobre, Germanski dobre!“ D.h.: die Deutschen sind gut!
Wir waren damals an zwei verschiedenen Stellen eingesetzt. Erinnert Ihr Euch noch an den Wehrmachtsbericht, in dem es hieß: im mittleren Frontabschnitt wurden 69 Ortschaften erobert. Viele davon waren in unserem Einsatzgebiet. An der anderen Stelle haben wir einen Zug von 1300 Gefangenen. Es war ein furchtbares Bild. Die meisten waren verwundet; niedergeschlagen, kaum mehr fähig zu gehen, zerlumpt, alte und junge, von 16 bis 55 Jahren; hungrig, humpelnd, auf Stöcken gestützt, kamen sie daher. Wer das sieht, der weiß, dass diese Armee einem deutschen Ansturm im Frühjahr nicht mehr widerstehen kann.
Überhaupt, das wird ein Angriff werden. Hoffentlich kann ich den mitmachen, denn dann ist es hier in Russland aus. Dies ist nicht etwa meine persönliche Ansicht; sondern die Ansicht jedes Ostfrontkämpfers. So sitzen wir nun hier, die Fahrzeuge am Verladebahnhof, und warten auf den Befehl zum „Rückmarsch“ von unserer Abteilung, die noch vorne ist. Geistige Betreuung, Auffrischung, Urlaubsvergebung, so hieß es. Was dann geschieht liegt noch im Finstern.
Übrigens, jeder Ostfronturlauber erhält in der Heimat eine Zulagskarte für Schwerstarbeiter und zwei Eier pro Woche mehr. Vor zwei Tagen war ich in Wjasma. Da sah ich einen Luftkampf in 8000 m Höhe. Ein russischer Jäger wurde abgeschossen, der andere verschwand. Dabei war unser neuester Jäger eingesetzt. Mit ungeheurer Geschwindigkeit ist er die 8000 m hochgebraust. Sonst herrscht dort ein kolossaler Betrieb.
Heute haben wir dienstfrei. Es ist ein herrlicher Tag. Wir sonnen uns schon mit nacktem Oberkörper. Wir glücklich sind wir darüber, ja so glücklich, dass alles Schwere des Winters in Vergessenheit gerät. Wir meiden die Russenbuden so oft es geht. Herrlich schmeckt das Essen im Freien. Muss leider jetzt schließen, da um ein Uhr Post abgeht.
Seid nun alle vielmals gegrüßt von
Eurem Kuno!
Liebe Gudrun! zu Deinem Geburtstage alles Gute, Hals- und Beinbruch für die Zukunft, Dein Kuno
Feldpostbrief Kuno Rinker 15
Russland, 03.05.421
Meine Lieben!
Nun ist es soweit. Seit gestern sind wir in unserem Quartier, das im rückwärtigen Gebiete liegt. Es ist eine ehemalige Schule; große Räume stehen uns zur Verfügung. Jeder hat seine Falle. Der Wasserbrunnen ist direkt vor dem Haus, das ist viel wert. Wir sind 11 Mann in einem Raum. Platz ist für jeden genügend. Hier werden wir nun aufgefrischt und zwar in geistiger und anderer Art. Es wird wohl nicht mehr lange dauern bis zum ersten Fußdienst angetreten wird. Überhaupt werden die nächsten Wochen stark nach Kaserne riechen. Mir ist es persönlich nicht so recht, denn im Einsatz ist es schöner, wenigstens bei uns.
Gellt, es hat wieder lange gedauert, bis wieder so ein Brieflein zu Euch gelangt. Es lagen auch sehr mit Arbeit ausgefüllte Tage hinter mir. Zunächst der Einsatz und dann das Heranschaffen unseres ganzen Batterieinventars an den Verladebahnhof und zuletzt das Verladen selbst. Dann erfolgte die Fahrt in Güterwagen über Smolensk und Orscha nach Schklow. Diese Stadt liegt zwischen Smolensk und Mogilew. Zahlreiche Häuser sind zerstört. Sonst hatte ich noch keine Gelegenheit, einen Bummel zu machen. Aber was nicht ist, wird werden.
Es war für mich schon ganz komisch, wenn ich so die Bevölkerung ansah, die im Verhältnis zur sonstigen ganz anständig gekleidet ist; d.h. wenigstens zum Teil.
Dann etwas ganz Großes. Gestern Nachmittag war ich im Varieté. Das war prima und eine sehr freudige Angelegenheit. Dann ist hier auch eine Papierfabrik im Betrieb. Heute Nachmittag gehen wir zum Baden und morgen oder übermorgen zum Entlausen. Gott sei Dank.
Ich habe Euch ja schon mitgeteilt, dass ich Bursche bin. Mein Chef ist Leutnant Fricke. Er ist ein prima Kerl; und wird von seinen Kollegen Molinki-Offizier genannt. Molinki heißt auf Deutsch klein, jung. Er ist gut ein Kopf kleiner als ich. Von Beruf ist er Ingenieur, wohnhaft in Frankfurt/Main. Dadurch nehme ich zur Zeit nicht am Batteriedienst teil. Ich habe noch viel zu schaffen bis ich sein Zeug alles wieder in Ordnung gemacht habe, denn alles, angefangen von den Waffen, Tornister, Koffer, Wäschtasche, Brotbeutel und Kleider zeigen die Spuren der Schlammtage, die hinter uns liegen. Er ist seit zwei Monaten Leutnant. Seit unserem letzten Einsatz, also rund 5 Wochen, bin ich bei ihm als Bursche. Man hat angenehme und unangenehme Stunden dabei. Ich muss halt um ihn besorgt sein wie eine Mutter um ihr Kind. Es fällt allerdings auch was dafür ab, d.h.: ich lasse mir was abfallen.
Postempfang war in der Zwischenzeit auch. Das neueste Datum ist vom 14. April. Verschiedene Päckchen mit Lebkuchen und Honig sind auch dabei gewesen. Dann war in einem auch der Waschlappen. Ich kann ihn schon gebrauchen obwohl mein anderer auch noch ganz ist. Für alles meinen besten Dank.
Nach zweitägiger Unterbrechung kann ich nun weiterschreiben. Das Baden war herrlich, eine richtige kalt-warm-Brause. Gestern waren wir beim Entlausen. Auch dabei haben wir wieder geduscht. Heute habe ich noch keine Laus gesehen oder gespürt. Hoffentlich bleibt es so. Da sind wir mit dem Personenzug hin- und zurückgefahren!!! Zum ersten Mal seit ½ Jahr wieder in einem richtigen Zug und dazu in Russland. Das müsst Ihr Euch vorstellen.
Dann habe ich gestern noch meinen Strohsack und Kopfkeil gestopft, den jeder bekommt; dann noch das Kopfkissen, das Ihr geschickt habt. Heute Nacht schlief ich ganz herrlich, beinahe himmlisch.
Obwohl wirklich einige wenige in Urlaub dürfen und wahrscheinlich noch weitere folgen, muss ich Euch mitteilen, dass für mich ein Urlaub nicht infrage kommt. Es dürfen von der ganzen Abteilung 10 Mann pro Woche fahren, also pro Batterie in 3 Wochen 10 Mann. In unserer Batterie sind noch keine weg, und wenn dies einmal der Fall ist, dann kommen zuerst die Verheirateten, dann die „Alten“ und dann wir „Jungen“, die wir ja erst von zu Hause kamen. So heißt es. Wir haben aber auch welche dabei, die schon 16 Monate nicht mehr Urlaub hatten. Aber ich mache mir weiter nichts daraus, einmal ist’s auch für mich soweit. Vielleicht wird’s Weihnachten oder gar noch später.
So, und jetzt beginne ich zum dritten Male. Es ist anscheinend der Brief der vielen Unterbrechungen. Wir haben heute den 7. Mai. Das Neueste: übermorgen steigt ein Fußballspiel gegen die OT. Auch ich stehe in unserer Mannschaft. Unsere Batterie hat auch für jeden Kickstiefel. Abends ist dann Kameradschaftsabend im Saal unserer Unterkunft. Dabei gibt es Bier !!!!!!! und Schnaps.
Das Wetter ist wirklich sehr schlecht. Seit vier Tagen regnet es. Dazu pfeift noch ein scharfer Wind. Das Essen ist wirklich gut. Wir erhalten täglich 600 g Brot. Das reicht zur Genüge. Überhaupt merkt man, dass man ziemlich weit zurückgekommen ist.
Zu meiner täglichen Beschäftigung gehört auch das Füttern vierer junger Hunde. Sie stammen vom Hund meines Chefs und sind sehr drollig. Vorgestern haben wir Luftfeldpostmarken erhalten. Es ist nun folgendermaßen: wir erhalten monatlich vier Marken, zwei sind für die Richtung Front-Heimat, und zwei für Heimat-Front. Zugelassen sind nur Sendungen, die 10 g nicht überschreiten (genau!), also Postkarten oder Kartenbriefe. Ich lege Euch heute eine Marke bei. Ich selbst schicke später einen Feldpostbrief per Luft. Oben rüber kommt der Vermerk „Luftfeldpost“, rot unterstrichen. Dann kommt über die Anschriftseite ein liegendes rotes Kreuz; siehe Skizze. Ich mag sehen, wie lange das Ganze dauert.
Dann schicke ich noch ein paar leere und volle Feldpostschächtelchen zurück, weil ich meine, dass Ihr sie vielleicht schwer bekommt. Den Kopfschützer benutze ich nicht mehr. Den Marschriemen und Hosenträger könnt Ihr evtl. reparieren lassen. Sonst geht es mir ganz gut; auch gesundheitlich.
Seid nun vielmals gegrüßt von
Eurem Kuno
Feldpostbrief Kuno Rinker 16
Im Osten, 01.07.42
Meine Lieben!
Nach längerem Schweigen, das uns in den vergangenen Tagen sogar beinahe aufgezwungen wurde, kann ich heute wieder einmal etwas von mir hören lassen. Zunächst steht der heutige Tag auch für uns unter dem Zeichen der großen Meldung vom Wiederbeginn unseres Angriffes. Auch wir haben die Tage der Ruhe mit denen des Marsches vertauscht. Wir befinden uns seit einigen Tagen auf dem Marsch. Täglich haben wir so 100 bis 150 km zurückgelegt.
Übernachten tun wir in unseren Zelten. Etwas Schöneres könnte ich mir gar nicht denken. Das Wetter tut auch mit. Solch eine Fahrt ist nun aber kein Autoausflug in Deutschland. Staubbedeckte, holprige und schlechte Wege. Nach so einer täglichen 8-9 Std. Fahrt ist der einzelne Mann wie gerädert und gleich wie Waffen und Bekleidungsstücke mit Staube überzogen. Die oft sehr schwüle Hitze lässt die Kehlen beinahe eintrocknen, überhaupt je weiter wir nach dem Süden kommen. Das Wasser war bis jetzt immer sehr knapp und dazu noch oft recht schmutzig. Wenn wir dann abends an unserem Biwakplatz angelangt, dann sind wir so müde, dass wir uns an jedem Fleckchen niederlegen könnten. So entstehen dann auch die für Euch ein Lächeln auslösenden Bilder der Wochenschau, wenn die Landser in den unmöglichsten Stellungen auf ihren Fahrzeugen schlafen. Auch bei uns ist dies der Fall.
Unser heutiger Lagerplatz ist inmitten eines großen Obstgartens. Unter den Bäumen stehen die getarnten Fahrzeuge. Schöne Blumen blühen in dem buschigen kniehohen Grase, das uns eine herrliche, sehr willkommene Schlafstelle ist. In der Nähe fließt ein Bach vorbei. Was gab es da anderes als Klamotten runter und hinein. Herrlich war dieses erste Freibad in Russland.
Soeben erfahren wir durch unseren Wehrmachtsempfänger den Fall von Sewastopol und schon erheben sich Stimmen, die fragen, ob wir wohl noch recht kommen. Solch eine Stimmung bedeutet sehr viel bei einer Truppe, die den letztjährigen Vormarsch und diesen furchtbaren Winterkampf mitgemacht hat.
In letzter Zeit habe ich von Euch verschieden Päckchen erhalten. Wenn mein Dank lange auf sich hat warten lassen, so ist er dafür umso ärger. Ihr macht mir immer eine sehr große Freude mit Euren lieben Päckchen und Briefen.
Diese Zeilen schreibe ich in unserem Auswertewagen. In dessen Mitte ist ein Licht befestigt. Links und rechts stehen Sitzbänke mit gepolsterten Sitzkissen. Leider erfüllen sie ihre ihnen zugedachte Aufgabe hier auf Russlands Straßen kaum. Der Wagen selbst ist geschlossen; ein 3-achsiger Diesel. Auf dem Dach liegt unser ganzes Gepäck. Während der Fahrt müssen die Fenster geöffnet werden, denn sonst würde man es vor Hitze kaum aushalten. Wir sind zu siebt drin untergebracht.
Während unserer Ruhetage habe ich mich ganz gut erholt. Wir bekamen des Öfteren Schnaps, Bier und Wein; und sonst noch allerhand Marketenderwaren. Dann sahen wir auch Kinos, Varietés und Theater. Denkt Euch, wir sahen dabei wieder deutsche Menschen in Zivil und hörten deutsche Sprache, Lieder und Gedichte. Das alles machte einen sehr starken Eindruck Hoffentlich dürfen wir dies alles bald wieder in Deutschland erleben. Doch dazwischen müssen wir noch eine andere Aufgabe lösen.
Seid nun für heute vielmals gegrüßt von
Eurem Kuno!
Ach so, Gefreiter bin ich ja auch seit dem 01.06.42
Feldpostbrief Kuno Rinker 17
im Osten, 17.07.42
Meine Lieben!
Oh, Ihr glaubt gar nicht, wie heiß es wieder geworden ist. Seit zwei Tagen herrscht wieder herrliches Sommerwetter. Tagsüber haben wir daher nur Sporthosen an, aber nur wenn es geht. Recht braun wird man dadurch. Ob man bei Euch daheim bald erntet. Gibt’s dieses Jahr viel Frucht? Obst wird es wohl weniger geben als sonst. Sind dem lieben Vater seine Bienen recht? Hat es dieses Jahr Honig? Könnt Ihr bald schleudern? [Anmerkung: Die Anfangsbuchstaben der Sätze ergeben den Ort: Ostrogoshsk]
So, dass wären nun wieder einige Fragen gewesen. Wir sind zur Zeit in einem ganz fruchtbaren Gebiete. Nur nützen die Russen eben ihren Boden gar nicht voll aus. Sie haben auch nicht besonders viel zum Anbauen. Was würde in Deutschland ein solcher Boden alles hergeben. Ganz schwarze Erde. Wir haben schon die ersten Kartoffeln und Zwiebeln herausgetan. Gestern habe ich die ersten Weichseln gegessen. In der Nähe unseres derzeitigen Aufenthaltsortes haben wir einen Bienenstand ausgemacht. Mit Gasmasken, Stahlhelm, Gummimantel, Mückennetz und Socken als Handschuhe haben wir ihn ausgeräuchert. Wir fanden sehr viel Honig.
Die Sondermeldung vom Fall Woroneshs wird bei Euch wohl große Freude ausgelöst haben. Ich hatte ja Gelgegenheit, mit einem Infanteristen, der in vorderster Linie stürmte, zu sprechen. Er sagte: Die Russen seien seit Wiederbeginn unseres Angriffes gelaufen wir die Hasen von der Hunden. Sie hätten alle Mühe gehabt zu folgen. So fiel die Stadt schon 8 Tage vor dem gesetzten Termin. Eines muss ich noch hinzufügen: Als die Sondermeldung kam, wurde im Westteil der Stadt noch gekämpft. Somit hat auch die Behauptung unserer Gegner diesmal gestimmt und unser Dementi war falsch, dass die Stadt fest in unserer Hand sei.
Dann haben wir schon viele Russenpanzer gesehen, die ausgebrannt am Wege lagen. Innen lagen die verkohlten Leichen. Unsere neuen PAK- und Sturmgeschütze sind ganz wunderbar. Ein PAK-Schütze sagte aus, dass ein Schuss zwei hinter einander stehende Panzer glatt durchhaut. Dies sind aber welche vom größten Typ der Russen.
In einer gewonnenen Stadt sehen wir abgeschossene Ratas liegen. Viele Gefangene schleppten sich schon an uns vorbei. Es sind durchweg sehr alte und ganz junge Geschöpfe. Seine Elite hat der Russe verloren. Er weicht zurück in schneller Flucht und wir stoßen unaufhaltsam nach. Kraftfahrzeuge, Panzer in großer Zahl, Infanterie, Pioniere, Flugzeuge, alles rollt und dröhnt vorwärts, sogar die B-Abteilung. Das solltet Ihr sehen, das begeistert, das reißt die wankenden Gesinnungen wieder empor, das ist einfach großartig.
Wie geht es Euch? Seid Ihr immer gesund. Mir geht es in jeder Beziehung gut. Zu essen haben wir immer reichlich genug. Gestern haben unser Kraftfahrer und ich, er ist übrigens aus Nehestetten bei Ulm, für uns neun Mann ein Huhn und einen Gänserich gekapert. Heute früh habe ich einen jungen Hammel organisiert, den haben wir gleich geschlachtet und essen ihn heute abend. Wir beide sind auf diesem Gebiete auf Draht. Dann ist unter uns ein gelernter Koch und einer, der mit der Küche in guter Beziehung steht. So klappt also alles.
Seid nun für heute vielmals gegrüßt von
Eurem Kuno
Feldpostbrief Kuno Rinker 18
den 14.08.42
Meine Lieben!
Heute kann ich Euch endlich wieder schreiben. Uebelnehmen dürft Ihr mir mein langes Schweigen nicht, denn sehr reichhaltige Tage liegen hinter mir. Nun sollt Ihr aber dafür heute viel hören. Denn man weiß ja nicht, was der andere Tag bringt. Es geht ja hier zur Zeit so richtig rund, wie wir so sagen. Rastlos wird den Russen eingeheizt. Täglich erleidet er schwere Verluste. Kürzlich erlebte ich den Beginn eines Angriffes. Mit ungeheurem Dröhnen und Rumpeln begann auf die Minute genau das Trommelfeuer unserer Ari. Wie auf einen Schlag genau verstummte es wieder. Es begann eine tiefe friedliche Stille. Stukawelle auf Welle brauste plötzlich heran und stürzte sich unter betäubendem Aufheulen der Sirenen auf die feindlichen Stellungen. Trotz einsetzendem Flakfeuer der Russen klappte alles ganz herrlich. Langsam begann sich die Front zu bewegen. Staubaufwühlend brachen dann die Panzer in großer Zahl aus ihren Bereitstellungen hervor und verwandelten die ganze Umgebung in einen einzigen Staubnebel. Tod und Verderben bringend folgten die Schlachtflieger. Auch wir arbeiteten eifrig an der Niederringung der russischen Ari, die ab und zu einige planlose Schüsse losböllerte. Lästig heiß, ja beinahe tragisch ist die Hitze. Ich habe was Ähnliches noch nie erlebt. Nahezu 4 Wochen hat es nicht mehr geregnet. Genießbares, wie Kartoffeln, Gurken, Tomaten, Äpfeln, usw. hat es in dieser Gegend so gut wie nichts. Recht baufällig sind die Hütten in den Dörfern gebaut. Arm ist auch hier die Bevölkerung. Die Hauptmahlzeit der Leute diesen Gebietes sind die Sonnenblumenkerne, die sie den ganzen Tag kauen.
[Anmerkung: Die Anfangsbuchstaben ergeben den Ort: 100 km westlich von Stalingrad] Auch unser Vorrat an Kartoffeln, Gurken und Tomaten ist bald erschöpft. Wir haben ihn so laufend während der Fahrt gesammelt. Wenn ich von uns spreche, so meine ich die Besatzung unseres Wagens. Vorgestern fingen wir Fische und haben sie gebraten. Ich habe zum ersten Male solche gegessen und sie schmeckten mir ganz wunderbar. Dann, denkt Euch, ich esse zur Zeit mit Begeisterung Tomatensalat und ich könnte mir nichts Besseres denken. Wir haben nämlich 17 l Öl bei uns, mit dem wir braten und Gurken- oder Tomatensalat oder Kartoffelsalat anmachen. Dann sind wir die glücklichen Besitzer von über einem Zentner Honig. Leben tun wir demnach ja nicht schlecht. Aber glaubt mir, lieber daheim bei Euch sein und auf vieles verzichten müssen, wäre jedem von uns lieber.
Ihr könnt Euch gar keinen Begriff machen, wie das ist, wenn so eine Kolonne auf dem Marsch ist. Auf den Straßen liegt der Sandstaub 10-20 cm tief. Der ganze Staub, den das vor einem fahrende Fahrzeug aufwirbelt, wird einem ins Gesicht und überall hin getrieben. Die Augen brennen. Die Gesichter sind kaum mehr zu erkennen. Der Mann schwitzt wie ein Magister unter dem Strahlen der glühend heißen Sonne. Höchstselten sieht man das vor einem fahrende Fahrzeug. Die ganze Gegend ist eine einzige, dichte, undurchsichtige Staubwolke. Diese Hitze bringt eine kolossale Müdigkeit mit sich. Man mag nichts denken und ist ungeduldig. Dazu kommen noch die vielen Mücken und Schnaken, die einem den ganzen Leib verstechen und einen schier zur Verzweiflung bringen. Vorgestern abend lagen wir in der Nähe eines Flugplatzes. In den frühen Morgenstunden des 12.08. erschienen plötzlich 27 russische Flugzeuge. Die Sperre, die die Flak schoss, vertrieb sie wieder. Später wurden sie dann alle abgeschossen als sie in die Nähe eines Jagdflugplatzes kamen. Der gestrige Wehrmachtsbericht brachte es auch. So ab und zu kommen die Russenbomber, aber nur bei Nacht. Wie das kracht und dröhnt, wenn sie abwerfen. Sie tun dies nur aus ganz großer Höhe und treffen deshalb auch fast gar nicht.
Ich habe nun auch schon Teile unserer Verbündeten gesehen. Die Ungarn mit ihren braunen Uniformen, die beinahe wie Russen aussehen, die ebenfalls braun uniformiert sind. Dann die Italiener, die ?, mit ihren Federbüschen an den Stahlhelmen. Sie haben so grünlich-blaue Uniformen und sehen auch was gleich. Aber über den deutschen Soldaten geht doch nichts. Neulich hat unser Fahrzeug und noch drei bei einer Nachtfahrt den Anschluss an die Kolonne verloren. Wir haben dann auf freier Strecke übernachtet und sind mit Tagesgrauen um 3.00 weitergefahren; natürlich die falsche Richtung und gelangten dann in die vordere Linie. Dort hat man uns aufgehalten und zurückgeschickt. Die Karten sind furchtbar schlecht und die Orientierung deshalb sehr schwierig. Das kommt alles vor, ist aber weiters nicht schlimm. Dabei sah ich übrigens auch zwei Ritterkreuzträger.
Sonst geht es mir ganz gut. In drei Tagen werdet Ihr Mutters Geburtstag feiern. Gerne wäre ich auch dabei. Ich wünsche ihr nochmals alles, alles Gute. Ich lege Euch heute neben der Luftfeldpostmarke noch zwei Marken bei; von denen wir jeden Monat eine bekommen. Damit könnt Ihr mir kg-Päckchen schicken, auf jede Marke eines. Sie wird neben die Frankierungsmarke geklebt.
Ich möchte nun schließen und grüße Euch alle vielmals recht herzlich,
Euer Kuno